In der Weststadt aktuell findet sich leider kein Bericht über die fragliche Bezirksratssitzung. Tagesordnung und Ergebnisse aus offizieller Sicht findet man auf braunschweig.de/ratsinfo, leider ist der Inhalt noch unvollständig, zu diversen (den meisten? Allen?) Tagesordnungspunkten wie beispielsweise fehlt noch (Stand 21.3.2019) neben dem (bis zur Genehmigung bei der nächsten Bezirksratssitzung vorläufigen) vollständigen Protokoll der größte Teil der (vorläufigen) Protokollauszüge [Pa], so dass die Hinweise dort derzeitig noch weitgehend nutzlos sind. Eine Diskussion darüber habe ich mit Bezirksbürgermeister Römer und der Verwaltung neulich begonnen, aber aus Zeitmangel noch nicht weiter geführt. Ich würde es für sinnvoll halten, wenn dort kurz nach der Sitzung eine einigermaßen vollständige Übersicht über den Sitzungsverlauf mit dem Hinweis „VORLÄUFIG!“ verfügbar wäre. Das Gespräch mit Herrn Römer vor der Sitzung lässt darauf schließen, das für Ratsmitglieder (mit privilegiertem Zugang) das Protokoll bereits wenige Tage nach der Sitzung zur Verfügung steht. Ich sehe hier noch Verbesserungsbedarf, um die Internetseite auch für Bürger zu einer guten Informationsquelle zu machen.
Ich beschränke ich mich hier auf Themen, die mir aufgrund eigenen Interesses besonders erwähnenswert erscheinen – mit meinen Anmerkungen.
Fortschreibung der Gebietsfreistellung
Bei der Gebietsfreistellung geht es darum, dass im betroffenen Gebiet Vermieter Wohnung, für deren Bezug eigentlich aufgrund der öffentlichen Förderung des Wohnungsbaues ein Wohnberechtigungsschein („B-Schein“) erforderlich ist, auch an Mietinteressenten ohne diesen Berechtigungsnachweis vermietet werden dürfen. So soll mit einer besseren „sozialen Durchmischung“ einer Getto-Bildung entgegengewirkt werden. Die Mietpreisbindung (Vermieter darf nur Kostenmiete verlangen) bleibt für diese Wohnungen bestehen.
Für die gesamte Weststadt hat neulich der Rat der Stadt Braunschweig einer letztmaligen Verlängerung der Gebietsfreistellung um 5 Jahre zugestimmt, die endgültige Entscheidung liegt beim Land Niedersachsen. Seitens der Gegner einer weiteren Verlängerung wurde leidenschaftlich dafür plädiert, bei der Abstimmung im Bezirksrat gegen eine Verlängerung dieser Gebietsfreistellung zu stimmen, da bei Belegung der günstigen Wohnung durch besser verdienende Mieter diese Wohnung für Geringverdiener verloren gehen – die haben dann eventuell keine Ausweichmöglichkeit mehr, da alle für sie finanzierbaren Wohnungen bereits vergeben sind.
Eine sicher nicht aus der Luft gegriffene Befürchtung!
Seitens der Befürworter wurde auch aufgrund eigener Erlebnisse bei der Wohnungssuche vorgebracht, dass die Forderung eines B-Scheins manchen Mieter, dem eigentlich trotz seines akzeptablen Einkommens sogar ein B-Schein zustehen würde, davon abschrecken könnte, die vorgesehene Wohnung zu mieten, da er sich durch den B-Schein-Antrag sozial stigmatisiert fühlen würde.
Diese Argumentation konnte ich zumindest im Prinzip nachvollziehen, als wir 2015 eine neue Wohnung suchten, haben wir solche mit B-Schein Erfordernis gar nicht in Betracht gezogen, sondern gleich „aussortiert“. Hat uns dann zu unserer „Traumwohnung“ gefühlt, aber das ist eine andere Geschichte.
Leider brachte keine der beiden Seiten Belege dafür vor, dass ihre Argumente auch tatsächlich verfangen.
Gibt es Belege dafür, dass die Gebietsfreistellung die soziale Struktur der Weststadt tatsächlich vielfältiger gestaltet und „stabilisiert“ hat? Oder ist das zumindest in anderen Städten nachgewiesen worden? Und ist in Braunschweig tatsächlich der Markt am unteren Ende der Mietenskala inzwischen so „eng“, das Menschen mit geringem Einkommen keine bezahlbare Wohnung mehr finden? Meine Vermutung: die Ausnahmeregelung der Gebietsfreistellung „verdrängt“ kaum mehr Mieter, als wenn alle Nicht-ganz-so-wenig-verdienende-Mieter“ den ihnen zustehenden B-Schein auch beantragen und dann halt mit B-Schein in ihre Wunschwohnung ziehen würden. Die Sozialwohnungen dürften meistens von eher einfachem Zuschnitt sein und nicht den Wünschen und Anforderungen besser Verdienender genügen. Aber anzunehmen, dass überhaupt kleine Wohnungen für Geringverdiener / Sozialhilfeempfänger verloren gehen werden, wäre sicher blauäugig. Wären beide Seiten noch mehr Bezirksbürgermeister Römers Bitte gefolgt, einander zuzuhören (und auf die Argumente der Andersdenkenden einzugehen), hätte hier vielleicht noch mehr Klarheit für die Zuschauer bringen können.
Letztlich ist diese Ausnahmeregelung m. E. eher ein Notbehelf, die Politik sollte bessere und flexiblere Steuerungsmöglichkeiten für die Sozialstruktur innerhalb eines Quartiers entwickeln. Da ist wohl eher Landes- und Bundespolitik gefragt, aber auch Rat und Verwaltung der Stadt Braunschweig haben hier sicherlich noch Möglichkeiten. Beispielsweise durch Imagewerbung für den B-Schein, die ihn als „Cool“ statt stigmatisierend darstellt. Man wird sehen.
Sonst noch etwas?
Isarstraße: Verkehr
Es ging noch einmal um den vielen Verkehr in der Isarstraße, Anwohner beklagen sich, das Ergebnis einer Anfrage an die Verwaltung bezüglich einer Ausweitung der Tempo-30-Regelung wurde verlesen: keine Möglichkeit!
Wer wie wir 23 Jahre an der Kastanienallee gewohnt hat, kann die Empfindsamkeit der Anwohner der Isarstraße nicht so ganz nachvollziehen, aber die Situation dort ist wirklich schwierig. Wer bei Gang- oder Reaktionsgeschwindigkeit eingeschränkt ist kann beide Straßen nur an einer Fußgängerampel überqueren, und für betroffene ist dieser Umweg dann besonders schmerzlich. Ein Lösungsansatz innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten ist noch nicht in Sicht, ich habe auch keine Idee. Immer nur beim Bezirksrat jammern und eine Einzelfallphoto eines warnblinkenden Zweitreihenparkers vorlegen wird die Problemlösung aber kaum voranbringen, da ist noch mehr Einfallsreichtum gefragt. Öffentlich wahrnehmbar originelle Aktionen, konsequentes Anzeigen von Falschparkern und Gehwegradlern, Verkehrszählungen (ist die behauptete Verkehrswichtigkeit, die einer weiteren Verkehrsberuhigung entgegen steht, wirklich gegeben?), Lärmmessungen und und und, konkrete Vorschläge vorlegen, wie die Verkehrswichtigkeit der Isarstraße gemindert werden kann, … . Führt beispielsweise die fehlende Linksabbiegemöglichkeit an der Einmündung der Traunstraße in die Lichtenberger Straße vielleicht dazu, dass nun mehr Autofahrer die Isarstraße nutzen, um Ihr Fahrziel an der Lichtenberger Straße zwischen Traunstraße und Isarstraße zu erreichen? Da sind sicherlich noch viele Fragen offen, und je mehr davon man klärt, desto wahrscheinlicher wird es, dass sich Lösungsansätze herauskristallisieren.
Bürger-Fragestunde
Die Fraktionen kamen überein, die Bürgerfragestunde am Ende der Tagesordnung zu belassen.
Die Argumente, die zu dieser Entscheidung führten, blieben leider unerwähnt.
Die Scheinfragen auf den Hinweis des Bezirksbürgermeisters auf das Wesen einer Fragestunde nehmen doch etwas überhand.
Nächste Bezirkratssitzung: Mittwoch, 4. April 2018.
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R. Bielefeld