Vorbemerkung
Bei der Bezirksratssitzung Stadtbezirk 221 (Weststadt), 28. November 2018 ging es auch um den Radfahrerschutzstreifen Lichtenberger Straße (Anfrage CDU-Fraktion). Eine Antwort der Verwaltung lag vor und wurde vorgelesen. Die Stellungnahme wird (nicht ohne Widerspruch) zur Kenntnis genommen: Die Antwort der Verwaltung erweckt den Anschein, die aktuelle Lösung sei von allen Beteiligten einhellig begrüßt worden. Das ist so nicht richtig, wie auch der Bezirksbürgermeister aufführte. Zudem ist die Stellungnahme etwas unvollständig und ein einigen Punkten womöglich fehlerhaft. Ich hatte zu einem Teilaspekt der Schutzstreifen-Fragen schon einmal Stellung genommen: Der Fahrradschutzstreifen entlang der Lichtenberger Straße … . Hier will ich noch einmal ausführlicher meine Gedanken zu verschiedenen Problemen rund um den Schutzstreifen äußern.
Die derzeitige Lösung wird vom vielen als unzureichend empfunden. Das dürfte auch am Gesetzgeber liegen, die alten benutzungspflichtigen Radwege mit einer geringeren Breite als 1,5 m mussten nach einer Übergangszeit umgewidmet werden, und nun haben sie einen „keiner-weiß-so-recht-was-das-eigentlich-ist-Status“. Wird der alte Radwegstreifen dem Gehweg zugeschlagen? Oder ist das nun irgendein „Anderer Radweg“ ohne Benutzungspflicht? Im Fall der Lichtenberger Straße ist eine solche Unklarheit allerdings eher nicht gegeben, der alte Radweg war nur durch eine durchgezogene weiße Linie vom Gehweg abgeteilt, die Linie ist kaum noch sichtbar, der alte Radweg existiert nur noch in der Erinnerung, aber nicht mehr als Verkehrsweg. Was viele nicht daran hindert, ihn weiterhin zu benutzen.
Mir fällt zu den Fahrradschutzstreifen dort wesentlich mehr ein, als der Verwaltungsantwort zu entnehmen ist.
Es stellt sich die Frage, ob der Schutzstreifen überhaupt STVO-Konform ausgeführt ist, ich habe da meine Zweifel. Zum einen — wie bereits reklamiert — fehlen die Fahrrad-Piktogramme fast vollständig. Üblicher erlebter Standard in Braunschweig ist, dass man auch von einem Sportflunder-Auto aus stets mindestens das nächste Piktogramm deutlich sieht. Auf der Fahrbahn der Lichtenberger Straße sind nur (noch?)wenige Piktogramme vorhanden, und davon die meisten kaum noch sichtbar. Ob jemals ausreichend viele mit sinnvoll geringem Abstand vorhanden waren?
An der ausreichenden Breite des Fahrradschutzstreifens habe ich Zweifel. An den meisten Stellen, wo ich gemessen habe, betrug die Breite vom Bordsteinrand aus bis zur Bordstein-abgewandten Seite des Markierungsstreifens (Zeichen 340 (Leitlinie, eine unterbrochene dünne Markierung, sogenannter Schmalstrich)) in Fahrtrichtung Innenstadt 125 cm. Das ist wohl eher zu wenig. Beim Radfahrstreifen liegt der Markierungsstreifen zwar innerhalb des Radfahrstreifens. Beim Schutzstreifen aber steht in der ERA „Lage mittig zwischen den Verkehrsflächen“. Also wäre der Schutzstreifen an den Messstellen eine halbe Markierungsstreifen-Breite zu schmal. In der Gegenrichtung gelegentlich auch mal 125cm rechts vom Marierungsstreifen, etwas besser.
Es gibt aber noch ein weiteres, noch gravierenderes Problem. Den empfohlenen Sicherheitstrennstreifen von 0,50 m breite (Gekennzeichneter Abstandsstreifen zwischen Parkenden PKW und dem Schutzstreifen) gibt es schon mal nicht. Klar, bei beengten Verhältnissen oder nur wenigen zu erwartenden Parkvorgängen kann der „baulich ausgewiesene Streifen“ entfallen, dann aber soll „… der Schutzstreifen einschließlich Sicherheitsraum 1 ,50 m breit sein. Der Sicherheitsraum muss dann nicht baulich oder durch Markierung ausgebildet sein. Also ist der Sicherheitsraum Bestandteil des Schutzstreifens – aber wo soll der bei einer Breite von oft nicht einmal 1,25m dann sein?
Ein weiteres Problem ist die gepflasterte, abgesetzte Gosse. Auf Seite 23 ERA las ich, dass bei schlecht befahrbarer Gosse die Schutzstreifenbreite erhöht werden soll. Ich denke ja mal so, dass die er Schutzstreifen ohne Gosse dann noch 1,25m breit ist? Auf der Lichtenberger Straße gibt es immer wieder bisweilen mehrere Zentimeter ausmachende Höhensprünge zwischen Asphaltdecke und gepflasterter Gosse, die zumindest lästig sind, für weniger sichere Radfahrer evtl. auch gefährlich; die Perspektive des Photos übertreibt etwas – der Anschaulichkeit halber.
Eine weitere Gefahrenquelle könnte sich aus den Unterbrechungen an Einmündungen ergeben. Der Radfahrer vertraut auf seinen dort nur nicht sichtbaren Schutzstreifen, der Autofahrer sieht keinen, hat auch keinen Platz, bedrängt den Radfahrer … . Ob das überall anders lösbar ist weiß ich nicht, vor den Ampeln hat die Straße jeweils ein kurzes Stück Mittellinie, und aufgrund der geringen Straßenbreite wäre die wohl bei einem Fahrad-Schutzstreifen nicht zulässig. Also endet der Fahrradschutzstreifen einfach sang- und klanglos — gefällt mir nicht.
Auf allgemeine Kritik von Fahrradfahrern an den Schutzstreifen wie beispielsweise das Problem, dass die übliche Sicherheitsregel „Radfahrer mit 1,5m Mindestabstand überholen“ bei Fahrradschutzsstreifen praktisch grundsätzlich von Autofahrern missachtet wird, u.v.a.m, will ich hier nicht näher eingehen.
Mein Fazit: Die Ausführung des Fahrradschutzstreifens dort ist keine Totalkatastrophe, die ERA ist ja schließlich auch nur eine (sehr dringliche) Empfehlung. Aber irgendeinen Sicherheitsgewinn für die Fahrradfahrer durch so einen mal gerade so noch zulässigen Fahrradschutzstreifen sehe ich auch nicht.
Und das Schlimmste: Ich weiß auch keine richtige Lösung.
So weit meine Meinung dazu. Hat jemand eine andere? oder Ergänzungen, Klar- oder Richtigstellungen?
—
R. Bielefeld
Weiterführende Literatur
- Schutzstreifen für den Radverkehr in Ortsdurchfahrten (PDF, 38 Seiten, 2007), Erfahrungsberichte. | Herausgeber: Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Göttinger Chaussee 76 A, 30453 Hannover
- Sonderwege für Radfahrer (PDF, 2 Seiten, 2013, Erläuterungen aus Radfahrersicht. | Herausgeber: Verkehrsclub Deutschland, Kreisverband Passau/Freyung-Grafenau e.V.
- Wikipedia: Radverkehrsanlage / Schutzstreifen
- Auszug aus dem Verordnungstext der Straßenverkehrsordnung mit Regeln, welche für Radfahrer besonders relevant sind. Private Webseite, Sachstand nach 2008.
- Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA, 95 Seiten, docdroid-Dokument) | Herausgeber: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen — Arbeitsgruppe Straßenentwurf.
- Usenet Newsgroup de.rec.fahrrad
- Schutzstreifen – Wunsch und Wirklichkeit (ein Blogbeitrag)
- Warum Fahrradschutzstreifen Fahrradfahrer nicht schützen (ein Blogbeitrag)
- Zu kurz gedacht – Fahrradschutzstreifen